Wieviel Krafttraining ist richtig für ältere Menschen?

In meinem vorherigen Blogpost (Link) habe ich beschrieben, warum Krafttraining im Alter wichtig ist. In diesem Artikel möchte ich das Thema noch etwas vertiefen, denn eine andere Studie hat Erstaunliches zum Trainingsumfang im Alter entdeckt. Allgemein gilt: Auch im höheren Alter kann Krafttraining helfen, die körperliche Gesundheit zu erhalten und sogar die Muskulatur aufzubauen. Doch was, wenn ältere Menschen nicht mehr die gleichen Fortschritte bei derMuskelhypertrophie erzielen wie ihr jüngeres Ich? Die aktuelle Studie mit dem Titel „Higher Resistance Training Volume Offsets Muscle Hypertrophy Nonresponsiveness in Older Individuals“ (Link) liefert hierzu interessante Erkenntnisse.

Muskelhypertrophie bei älteren Menschen

Muskelhypertrophie bezeichnet die Zunahme der Muskelmasse durch Training. 

Krafttraining

Bei jüngeren Erwachsenen ist bekannt, dass regelmäßiges Krafttraining signifikante Zuwächse an Muskel masse und -kraft ermöglicht. Doch im höheren Alter, insbesondere bei Menschen über 60, ist der Prozess der Muskelzunahme deutlich weniger ausgeprägt. Dies wird als „Nonresponsiveness“ bezeichnet, also das Fehlen einer spürbaren Antwort des Körpers auf das Training.

Jetzt ist es leider so, dass ältere Menschen Muskelmasse verlieren. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff „Sarkopenie“ bekannt, was eine altersbedingte Abnahme der Muskelmasse beschreibt und zu einem erhöhten Risiko für Stürze, Gebrechlichkeit und eingeschränkte Mobilität führen kann. Deswegen ist es interessant, Strategien zu entwickeln, um der Sarkopenie entgegenzuwirken.

Höheres Trainingsvolumen bei älteren Menschen

Die Studie, die im Journal of Applied Physiology im Februar 2024 veröffentlicht wurde, hat sich mit einer solchen Strategie befasst. Forscher untersuchten, ob ein höheres Trainingsvolumen die Muskelhypertrophie bei älteren Menschen fördern könnte, auch wenn diese normalerweise nicht auf Widerstandstraining ansprechen (auch als Non-Responder bezeichnet). Dabei wurde die Hypothese aufgestellt, dass ein höheres Trainingsvolumen – also mehr Sätze und Wiederholungen bei gleicher 60-80%iger Belastung – in der Lage sein könnte, das Defizit in der Muskelantwort zu überwinden.

In der Studie wurden über 80 ältere Probanden, alle über 60 Jahre alt, unterschiedlichen Trainingsvolumen ausgesetzt und untersucht. Die Probanden trainierten jeweils das eine Bein mit einem einfachen Trainingsvolumen und das andere Bein mit einem deutlich erhöhten, vierfachen Trainingsvolumen.

Die Ergebnisse der Studie waren bemerkenswert: Während sich grundsätzlich bei allen Probanden zeigte, dass ein höheres Trainingsvolumen das Muskelwachstum bei älteren Menschen stärker anregt, galt dies auch für Probanden, die normalerweise wenig bis gar nicht auf Krafttraining reagiert haben und als “Non-Responder” in der Studie identifiziert wurden. Bei diesen Non-Respondern bewirkte das einfache Trainingsvolumen keinen signifikanten Muskelzuwachs, jedoch erzielten die Personen einen Muskelzuwachs an dem Bein, das mit dem vierfachen Trainingsvolumen trainiert wurde. Das Studienergebnis zeigt, dass ältere Personen, die bisher keine merkliche Muskelhypertrophie nach Krafttraining zeigten, durch eine Erhöhung des Trainingsvolumens doch einen spürbaren Zuwachs der Muskulatur erfahren können.

Warum ist das so?

Es gibt sicherlich viele Begründungen, warum ein höheres Trainingsvolumen die Muskelhypertrophie bei älteren Menschen fördern kann. Aber grundsätzlich gilt: Mehr Wiederholungen und Sätze führen zu einer längeren Belastung der Muskeln und damit zu mehr Wachstumsreizen. Auch wenn der Körper von älteren Menschen tendenziell weniger auf diese Reize reagiert, kann eine länger andauernde und intensivere Belastung die nötigen Signale zur Muskelentwicklung auslösen.

Was also tun?

Krafttraining unterstützt dabei, richtig sportlich alt zu werden, aber wie setze ich das als älterer Sportler im Training um, wenn ich bisher keine spürbaren Ergebnisse erzielen konnte? Hier ein paar Tipps:

– Schrittweise Erhöhung des Trainingsumfangs: Anstatt das Trainingsvolumen sofort massiv zu steigern, erhöhe ich Gewicht und Wiederholungen nur in kleinen Schritten. Dies hilft, Verletzungen zu vermeiden und die Muskulatur langsam an die intensivere Belastung zu gewöhnen.

– Die richtige Intensität ist wichgtig: Wähle ein Gewicht oder eine Schwierigkeit, bei der du 8–15 Wiederholungen schaffst. Wenn du deutlich mehr Wiederholungen problemlos hinbekommst, trainierst du vermutlich mit zu wenig Widerstand für einen Wachstumsimpuls. Umgekehrt gilt: Wenn du weniger als 8 Wiederholungen schaffst, ist das Gewicht wahrscheinlich zu schwer. Das kann nicht nur deinen Fortschritt bremsen, sondern auch das Verletzungsrisiko erhöhen. 

– 60 Minuten Training reichen aus: Mehr als eine Stunde Krafttraining ist normalerweise nicht nötig. Mit der richtigen Intensität von 8–15 Wiederholungen pro Satz und 3–4 Sätzen pro Übung, kannst du viele Muskelgruppen in 60 Minuten effektiv trainieren. Längere Einheiten können zu Übertraining führen und die Regeneration beeinträchtigen. 

– Fokus auf Muskelgruppen, die ich sonst nicht trainiere:  Diese Muskelgruppen reagieren stärker auf Training als diejenigen, die ich zum Beispiel beim Radfahren oder Laufen ohnehin schon benutze. Nicht nur bei älteren Menschen ist es sinnvoll, gezielt mit Muskelgruppen zu arbeiten, die weniger beansprucht werden, um so Dysbalancen zu vermeiden.

– Regelmäßiges Krafttraining ist besser als gelegentliches Training bis zur totalen Erschöpfung: Auch ältere Menschen sollten möglichst regelmäßig, zwei- bis dreimal pro Woche trainieren, um einen dauerhaften und gesundheitsfördernden Effekt zu erzielen.

– Erholung und Ernährung gehören sowieso dazu: Damit die Muskeln auch wirklich wachsen können, sind ausreichend Erholung sowie eine proteinreiche Ernährung wichtig. Gerade bei älteren Trainierenden ist eine optimale, eiweißreiche Erholung nach intensiven Trainingseinheiten entscheidend, um die Regeneration und den Muskelaufbau zu maximieren.

Fazit

Das sind sehr gute Nachrichten für viele ältere Erwachsene, die bisher mit moderatem Krafttraining keinen Kraftzuwachs gespürt haben. Denn die Studie zeigt, dass ältere Menschen, die bisher nicht auf Krafttraining mit Muskelwachstum reagiert haben, den altersbedingten Muskelabbau nicht bedingungslos hinnehmen müssen. Ein höheres Trainingsvolumen kann auch bei diesen Personen noch zu einer Zunahme von Muskelkraft und -volumen führen und damit dem altersbedingten Muskelabbau entgegenwirken.

Mit passendem, regelmäßigem Krafttraining können auch wir ältere Menschen richtig sportlich alt werden und langfristig unsere Unabhängigkeit sowie eine bessere Lebensqualität erhalten.

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